Ruhrpottblick

Wenn es Nacht wird im Ruhrgebiet – Lichtkünstler Thorsten Pfister von Lichtkunst.Ruhr im InstaTalk

Auf Instagram teilen Millionen Menschen Fotos und Videos von besonderen Momenten miteinander. Oft geht es um Essen, Fashion oder Reisen. Manche setzen aber auch bewusst das Ruhrgebiet in Szene. In den kommenden Monaten, stellt Ruhrpottblick in der Serie “InstaTalk” einige dieser Instagramer vor.

Nachts unterwegs im Pott

Ein Interview mit Lichtkünstler Thorsten Pfister aka @Lichtkunst.Ruhr

Mitten in der Nacht, bei Minusgraden, irgendwo auf einem alten Zechenturm: Für viele klingt das wie ein Albtraum. Für Thorsten Pfister (40) ist es das Beste, um seinen Kopf frei zu kriegen. Er arbeitet selbstständig als REFA Techniker und zieht in seiner Freizeit los, um das Ruhrgebiet zu erkunden. Seinen Job macht er mittlerweile eigentlich nur noch, um genug Zeit und Geld für seine Leidenschaft zu haben. Denn er ist vor allem nachts unterwegs, in der Woche und bei jedem Wetter. Manchmal hat er dabei Hilfe, aber Leute „mit einem richtigen Job“, wie er sagt, haben dafür nur selten Zeit. Im InstaTalk erzählt er mehr über seine Leidenschaft für das Ruhrgebiet und seine besondere Verbindung, von Licht und Fotografie.

Ruhrpottblick: Wieso fotografierst Du so gerne?

Ich bin eigentlich seit 1997 mit der Kamera unterwegs. Ich liebe es, nachts allein durch das Ruhrgebiet zu fahren. Ich genieße die Ruhe, die ich dann habe. Deshalb bin ich auch in der Woche unterwegs, um nicht den typischen Partygängern zu begegnen. Und es gefällt mir, die Dinge festzuhalten, die ich sehe. Ich habe letztens Fotos von einer alten Kokerei gefunden. Heutzutage sind da Möbelhersteller drin, aber früher war das ein Backsteinbau mit tausenden Rohren und es hat gestunken und getropft. Das kann man sich schon gar nicht mehr vorstellen, wie es da mal ausgesehen hat.

Die konkrete Idee kam mir, als ich einmal in der Nacht die Grubenlampe auf der Halde Rheinpreußen fotografieren wollte. Die ist nachts auch beleuchtet und ich war so gegen 11 dort und hatte gerade alles hochgeschleppt und aufgebaut, da ist das Licht ausgegangen. Ich habe mich so geärgert und dachte: Das müsstest du jetzt eigentlich selbst beleuchten!

Dein Hauptaccount heißt Lichtkunst.Ruhr. Was hat es mit dem Licht auf sich?

Ich habe eigentlich nur Nachtfotografie aus dem Ruhrgebiet gemacht, das gibt es ja öfter. Aber die meisten Leute fotografieren nur die Klassiker, wie die Zeche Zollverein und den Landschaftspark Duisburg. Für mich gibt es noch viel mehr im Ruhrgebiet zu entdecken und deswegen bin ich losgezogen und habe den Rest fotografiert. Und die Sachen, die nicht so viele Leute kennen, sind halt nicht beleuchtet gewesen. Deshalb dachte ich mir vor zwei Jahren: nimms`te einfach die Taschenlampe mit und beleuchtest die Sachen selbst. Und mit der Zeit ist dann auch das bunte Licht dazu gekommen. Diese Lichtkunst ist also eher zufällig gewachsen.

Du machst dieses Jahr bei der Extraschicht mit. Was ist dein Plan dafür?

Das Nahverkehrsmuseum Bahnhof Mooskamp hier in Dortmund hat mich angesprochen. Sie haben solche historischen Straßenbahnen, mit denen sie noch regelmäßig alte Strecken befahren. Und für die Nacht der Extraschicht, wenn alles dunkel ist, wollten sie den Fahrgästen etwas Besonderes bieten. Die Strecke führt über die beeindruckende Brücke mit der Ringgasleitung, den sogenannten Hansabrückenzug. Deshalb haben sie mich gefragt, ob ich die etwa 300 Meter lange Brücke rot beleuchten könnte. Da stand ich erstmal vor einem kleinen Problem: die Lichter, die ich habe, reichen für meine Fotografien noch aus, weil man an der Kamera eine lange Belichtungszeit einstellen kann und dann alles viel heller wirkt. Aber unsere Augen können das nicht und wenn ich einfach die Lampen aufstellen würde, könnte man das von oben kaum sehen. Deshalb baue ich mir gerade selbst neue Lampen.

Was ist Dein Lieblingsmotiv?

Da muss ich sagen: der Landschaftspark Duisburg. Ich weiß, da ist jede Schraube schon hundert Mal fotografiert worden. Aber ich war schon dort, als das mit der Lichtinstallation gerade eröffnet wurde und war damals schon so geflasht.  Es ist halt der Klassiker fürs Ruhrgebiet. Erst war alles grün und die Emscher floss da durch, dann kam die Industrialisierung mit Stahlwerk und so und jetzt ist es der Besuchermagnet schlecht hin. Der Ort hat alle typischen Epochen fürs Ruhrgebiet durchlebt. Ich wohne in der Nähe und wenn ich ein neues Objektiv habe, fahre ich erstmal dahin. Ich kenn´s zwar mittlerweile in und auswendig, aber ich bin trotzdem mindestens einmal im Monat da.

Was ist das Besondere am Pott?

Die Vielfältigkeit. Das ist ja so der Klassiker, aber jeder denkt das Ruhrgebiet ist dreckig, und ich merke selbst: an manchen Stellen ist es speziell, schon eine nette Form von hässlich. Aber ich kenne es halt nur so und ich finde es schön. Und wenn man mal auf den Halden steht und sich umschaut, sieht man eigentlich nur Bäume. Außerdem sind die Leute hier ganz besonders. Das habe ich vor allem gemerkt, als ich viel in Deutschland unterwegs war:  Älteres Ruhrgebiet, das passt einfach sofort, als würde man sich schon hundert Jahre kennen. Mittlerweile habe ich das Gefühl, das ist ein bisschen verloren gegangen. Es gibt immer mehr Gegenden, wo Leute ihre Porsche Cayenne parken und jeder nur für sich ist. Das ist nicht mehr das typische Ruhrgebiet, dieses kumpelhafte wie früher. Aber ich möchte das alte Ruhrgebiet auch nicht zurück haben.

So wie es jetzt ist, ist es im gesamten doch schöner. Und das ist auch eine Besonderheit in meinen Augen: diese Veränderung, sich immer wieder neu erfinden zu müssen. Dadurch können tolle Sachen entstehen. Früher hat das Ruhrgebiet so ein bisschen Deutschland ernährt mit der Schwerindustrie. Mit den ganzen Hochschulen und Forschungseinrichtungen in der Gegend glaube ich, dass hier wieder ein Schmelztiegel entstehen wird, nur eben ein anderer.

Hast Du einen Lieblingsort im Pott?

Ich denke da irgendwie nur an Industriesachen: der Hafen, das Stahlwerk. Ich sag`s ja, ich bin industriebekloppt. Aber wenn es jetzt nicht ums Fotografieren geht, sondern nur darum, mal rauszukommen, dann würde ich sagen: das Tetraeder in Bottrop. Von da hast du einen kompletten Überblick über alles.

Wieso möchtest Du das Ruhrgebiet mit anderen teilen?

Ich glaube einfach, viele Leute können sich das gar nicht vorstellen, wie es hier ist. Als mein Cousin aus Bayern zum Beispiel zu Besuch war, war er ganz erstaunt, wie groß Gelsenkirchen ist. Da habe ich ihm erzählt, dass wir schon durch Oberhausen durchgefahren und jetzt in Mühlheim sind. Es ist eben anders, wenn alles so eng beieinander liegt. Außerdem bin ich einfach vom Ruhrgebiet überzeugt. Ich will es den Leuten jetzt auch nicht aufquatschen, aber wenn man von etwas begeistert ist, will man es auch nach außen tragen.

Wie bist Du auf Instagram gekommen?

Am Anfang war ich eigentlich nur auf Facebook. Irgendwann war ich dann selbst mal neugierig und habe das mit ein paar Bildern ausprobiert. Das hat auch ganz gut funktioniert. Besonders die jüngere Zielgruppe kann man da besser ansprechen, Facebook wird ja doch immer älter. Trotzdem lasse ich eine Kombination von beidem laufen, denn alles hat so seine Vor- und Nachteile. Instagram frisst definitiv mehr Zeit. Die App ist mit ihrem Algorithmus sehr eigen. Damit verbringe ich am Tag schon etwa zwei Stunden, meine sogenannten „social media Stunden“ beim Kaffetrinken.

Außerdem ist es schnelllebiger und man bekommt öfter Kommentare von irgendwelchen Kosmetikinstituten, wo man weiß, da kommuniziert man jetzt mit einem Roboter. Das hat Facebook nicht. Auf Instagram musst du erst deinen inneren Kreis an Leuten finden, die sich wirklich für deine Fotos interessieren.

Und wie ist Dein Instagram-Name entstanden? Was bedeutet er?

Den Namen Lichtkunst.ruhr habe ich bewusst gewählt. Ich habe vorher geschaut: Gibt es schon Hashtags dafür oder irgendwelche Seiten? Steht der Name schon mit irgendwas in Verbindung oder ist es wirklich allein? Ich wollte etwas, was für sich steht. Und so hat sich das dann ergeben. Weil ich eh so ein bisschen ruhrgebietsverrückt bin, musste auf jeden Fall das .ruhr dahinter.

Hast Du Hashtags, die Du besonders gerne benutzt?

Eigentlich nur meinen eigenen, #Lichtkunstruhr. Normalerweise freuen sich die Leute ja immer, wenn ihr Hashtag benutzt und mit Leben gefüllt wird. Aber ich bin eigentlich ganz froh, wenn es mein eigener bleibt. Manchmal benutze ich auch #Lichtkunstruhrgebiet, aber den gab es schon vor mir.

Vervollständige bitte diesen Satz: Der Pott ist…

vielfältig und einzigartig. Das ist wahrscheinlich das, was jeder sagt, aber es stimmt einfach. Die Leute aus dem Ruhrgebiet werden das immer sagen, ich weiß nicht, wie Leute von außen es hier finden. Aber mir gefällt`s. Allein die ganzen Möglichkeiten, die man als Student hier hat.

Vielen Dank Thorsten für das interessante Interview und spannenden Einblick in Deine Lichtkunst.
Besucht Thorsten doch mal auf Instagram und verfolgt seine Nachtaktionen @lichtkunst.ruhr & @ruhrgebietsfotograf

Ihr möchtet auch mal im Ruhrpottblick-InstaTalk über eure Instagram und Ruhrgebiets-Leidenschaft plaudern? Dann lasst mal was hören und schickt uns eine E-MAIL an info@ruhrpottblick.de

Lisa König
Ich bin vor eineinhalb Jahren für mein Wissenschaftsjournalismus-Studium nach Dortmund gezogen. Eigentlich komme ich vom Dorf im Norden Niedersachsens und musste mich erst mal dran gewöhnen, nicht jede freie Minute am Wasser zu verbringen. Trotzdem habe ich mich gleich in meine neue Heimat verliebt. Deshalb schreibe ich in meiner Freizeit für Ruhpottblick und die Nordstadtblogger, um zu zeigen, was die Gegend alles zu bieten hat.