Ruhrpottblick

Veranstaltungstipp: Baustelle wird zum eigenen Kunst-Konzept

Kunst und Kultur sind nur etwas für die Upper-Class der Gesellschaft? Fehlanzeige. Die Ludwigsgalerie in Oberhausen überzeugt mit einem neunwöchigen Open-Air-Konzept und beweist, dass Kultur so vielfältig ist wie die Menschen selbst. Mit modernen Installationen, bunten Workshops sowie mitreißenden DJ-Sessions sichern sich die Betreiber auch das junge Publikum.

Vibrierende Bässe schallen aus den Musikboxen vor der DJ-Hütte auf den Innenhof der Ludwigsgalerie in Oberhausen. Die Menschen nicken im Takt und tippen die Füße zum Beat auf den Boden. In der Hand eine erfrischende Limo oder ein kühles Pils, auf dem Rücken ein kleiner Rucksack. Hinter ihnen: Zahlreiche Kunstwerke der Street-Art Künstlerin Ursula Meyer. Es ist ein Abend, der die schwierige Zeit des Lockdowns vergessen lässt. Ein Abend, der Kunst und Kultur für jede Altersgruppe und für jede soziale Klasse ermöglicht.

Innovatives Konzept

„Museum Under Construction“ heißt das innovative Konzept der Ludwigsgalerie. Da die Galerien aufgrund von Bauarbeiten geschlossen und somit keine herkömmlichen Ausstellungen möglich sind, wurden die Mitarbeiter:innen kreativ. Zum ersten Mal setzen Künstler und Mitarbeiter den Innenhof kunstvoll in Szene. Und das nicht nur für eine kurze Gastausstellung, sondern für ganze neun Wochen – kostenlos. Start des Projekts war am 27. Juni.

„So eine umfangreiche Open-Air-Veranstaltung haben wir bislang noch nie durchgeführt. Das zu organisieren, war definitiv eine Herausforderung“, erklärt Nathalie Schraven, Öffentlichkeitsarbeiterin der Ludwigsgalerie.

Innenhof als eigenes Kunstwerk

Die spezielle Gestaltung des Innenhofs übernahm die „PriseSalzCrew“. Dieses lockere Künstlerkollektiv besteht aus sich immer wechselnden Teilnehmern. Dadurch entdeckt die Gruppe immer wieder neue Ideen und verwirklicht neue ästhetische Ausdrucksformen.

Wunschmaschine

Sie erschuf nicht nur drei urige Holzhütten für den Innenhof, sondern auch eine Wunschmaschine. Sie ist das auffällige Highlight. Die Besucher:innen können die Wunschmaschine per Knopfdruck selbst betätigen. Wenn die glitzernde Kugel hochfährt und wie durch eine Murmelbahn herunterkullert, staunen die Gäste jedes Alters. „Diese Installation soll zum Träumen, Wünschen, Hoffen und Staunen einladen. Solche Momente, wo sich Menschen ihren Träumen bewusstwerden, sind sehr wertvoll und gerade in dieser besonderen Zeit noch wichtiger“, sagt Nathalie Schraven.

Aaron St. (Stratmann) von der PriseSalzCrew hat die Murmelbahn erfunden und konstruiert. Er konzentriert sich auf großflächige Kunst in Form von Bühnen-, Raum- oder Flächeninstallationen.

Themenhütten

Drei Themenhütten geben dem Innenhof eine spezielle Atmosphäre und bieten verschiedene Verweilmöglichkeiten.

Kritzel-Hütte

Die Kritzel-Hütte kommt an den „Workshop_Wednesdays“ zum Einsatz. Dann dürfen Besucher:innen selbst kreativ werden und ihre eigene Kunst erschaffen. Auch die „Artist_Tuesdays“ finden hier statt. Die vortragenden Künstler:innen zeigen auf einem Fernseher, welche weiteren Arbeiten sie schon geschaffen haben und bieten thematisch spannenden Input. Ansonsten bietet diese Hütte Unterstand, wenn es regnen sollte.

Bücherbörse

Eine weitere Themenhütte ist die Bücherbörse. Wie eine winzige Bibliothek ist sie aufgebaut und lässt Leseratten nicht so schnell wieder gehen. In den zwei Sesseln können ausgewählte Bücher direkt verschlungen werden. Gegen einen Tausch dürfen die Gäste Bücher auch nach Hause nehmen und dort in Ruhe lesen.

Musikhütte und „Lounge_Fridays“

In der Musikhütte legt jeden Freitag von 18-22 Uhr ein anderer DJ auf. Unterschiedlichste elektronische Musikstile werden an diesen Freitagen präsentiert. Die „Lounge_Fridays“ sind am besten besucht. Probleme wegen der Corona-Schutzverordnung habe es bislang noch nicht gegeben. Dazu tragen vermutlich auch die vielen verschiedenen Sitzmöglichkeiten auf Paletten und an Bierzeltgarnituren bei. Wie kleine Inseln im Meer stechen die kreativ gestalteten Palettensitze hervor und lassen den Zuhörer dennoch als Teil des Ganzen fühlen. An der bunt gestalteten „Art_Theke“ können sich die Besucher:innen Longdrinks abholen.

Vom Kaisergarten kommen einige Spaziergänger, die auf die Musik aufmerksam geworden sind. Viele Gäste stoßen ungeplant auf die Ausstellung und genießen eine kleine Pause vor der besonderen, futuristisch angehauchten Kulisse.

Der Innenhof des Museums kann derzeit selbst als ein großes Kunstwerk gesehen werden. Die vielen farbigen Tücher und Bänder, die über den Menschen schweben, die Lampen, Discokugeln und farblich angepassten Themenhütten tragen zu diesem Eindruck bei. Die Farben stimmen miteinander überein, die Baustile der Hütten und der Wunschmaschine harmonieren mit den auffälligen Werken von Ursula Meyer.

Die Kunstwerke

Die aktuell ausgestellten Kunstarbeiten sind sehr auffällig, denn sie stammen aus dem Bereich der Street-Art. Großflächige und auffällige Bilder gehören zu dieser Szene dazu. Groß und auffällig ist auch das gedruckte Banner an der Vorderseite der Ludwigsgalerie: Dieses wird vermutlich jeder Autofahrer von Weitem entdeckt haben, der seit Juni auf der Konrad-Adenauer-Allee in Oberhausen entlanggefahren ist. Die rothaarige Frau mit den vielen Augen scheint die Autofahrer beinahe anzustarren.

Während sich die Sonne ihren Weg immer weiter durch die dicken dunklen Wolken erkämpft, beginnen auch die weiteren künstlerischen Werke zu leuchten. Die Sonnenstrahlen durchfluten die Bilder nahezu und ziehen zahlreiche Blicke auf sich. Man meint fast, man könne den lebendigen Glanz in den Augen der gemalten Frau erkennen.

Ideengeberin Ursula Meyer

Für diese ausdrucksstarken Installationen hat Ursula Meyer gesorgt, die sie eigens für die Ludwigsgalerie angefertigt hat. Die Malerin ist 1987 in Argentinien geboren und vereint ihre Arbeit mit der Internationalität, die sie selbst erlebt hat. Das dritte Auge, das in den meisten ihrer Bilder zu sehen ist, steht für Weltoffenheit und die Achtung vor neuen Kulturen. Für sie sei Kunst quasi ein Urinstinkt, um die Welt etwas schöner zu machen. Sie will ihre Realität und Ihr Umfeld gestalten, aber gleichzeitig auch irritieren. Wer mehr über die Künstlerin erfahren möchte, kann hier ein spannendes Interview lesen.

Nachhaltige Kunst

Wichtig war den Betreibern für die Ausstellung außerdem der Nachhaltigkeitsaspekt. Jedes Kunstwerk, das zu sehen ist, stammt aus recyceltem Material. Das Holz der Hütten wurde neu aufbereitet und auch das Banner für Ursula Meyers Arbeit wurde schon vorher von dem Museum als Werbeplakat benutzt. Für diese nachhaltige Verwertung ist die PriseSalzCrew verantwortlich.  

Junge Zielgruppe erreichen

Insgesamt wollen die Akteure mit diesem unkonventionellen Programm besonders junge Menschen erreichen. Sie möchten diese mobilisieren, sich mit Kunst und Kultur auseinanderzusetzen, was bislang auch geglückt sei. Das Rahmenprogramm sei häufig von 20-49-Jährigen angenommen worden. Es seien aber auch sehr viel ältere und jüngere Menschen zu den Veranstaltungen gekommen.

Persönliches Fazit

Unter dem Namen „Kunstbaustelle“ hätte ich zwar wesentlich mehr Baustellen-Items erwartet, aber im Endeffekt ist es praktisch, dass die Ludwigsgalerie eher drinnen umgebaut wird. Draußen findet sich nur ein kleiner durch Baustellenzäune abgesperrter Bereich. Vorteil: Kein nervender Baustellenlärm während des Besuchs. So kommt auch die Atmosphäre im Innenhof am besten zur Geltung, die bei Sonnenschein einfach nur malerisch ist.
Die Kunstwerke sind ein wahrer Blickfang und auch, wer sich nicht mit Street-Art auseinandersetzt, wird bei diesen farbenfrohen und auffälligen Malereien ein wenig staunen können.
Das Rahmenprogramm ist enorm umfangreich und bietet für jede Interessensgruppe unterschiedliche Anhaltspunkte. Bei den „Lounge_Fridays“ sollte man sich allerdings vorher informieren, ob die Musik den eigenen Geschmack treffen könnte. Durch die musikalische Vielfalt spielen nämlich auch sehr alternativ angehauchte Künstler ihre Lieder, die vermutlich nicht der breiten Bevölkerungsgruppe gefallen.
Aber auch das ist spannend: Wieder Neues entdecken und die eigene Bubble somit vergrößern.

Tipps und Termine

Wer sich ein eigenes Bild von der Oberhausener Ausstellung „Museum Under Construction“ machen möchte, kann noch bis zum 29. August jeden Tag außer montags an der Ludwigsgalerie vorbeischauen. Der Innenhof und alle Hütten sind von 11-18 Uhr geöffnet.

Auch für diejenigen, die bereits an der Ludwigsgalerie waren, lohnt sich vermutlich ein weiterer Besuch. Die ausgestellten Bilder hinter der Glaswand wechseln jede Woche und die gebotenen Veranstaltungen könnten thematisch kaum unterschiedlicher sein. Das Vorbeischauen lohnt sich also.

„Artist_Tuesday“ Termine

Im Bereich des „Artist_Tuesday“ sind noch drei weitere Veranstaltungen geplant. Am 10. August sprechen 0AE und Aaron St. über Sticker und Plakate und geben direkt einen passenden Workshop. Das Thema dieses Tags ist „Pop Art meets Street Art“.

Am 17. August bietet Künstlerin Marlene Ruther einen Audiowalk durch die Wildnis am Emscherschnellweg mit dem Titel „Stille und Rauschen“ an. Interessierte sollten hierfür festes Schuhwerk und wetterfeste Kleidung anziehen.

Schließlich berichtet die PriseSalzCrew in der Closing Week am 24. August über weitere Projekte und ihre Erfahrungen mit der Kunstbaustelle.

Der „Artist_Tuesday“ findet immer dienstags ab 18 Uhr statt. Die Vorträge sind in der Kritzelhütte. Anmeldungen sind bei dem unten genannten Kontakt für die Veranstaltungen erforderlich.

„Workshop_Wednesdays“ Termine

Noch drei weitere „Workshop_Wednesdays“ sind für die nächsten Wochen geplant. Am Mittwoch, 11. August werden Teilnehmer zur Pop-Art-Factory willkommen geheißen. Am 18. August geht es mit der Landkarte rund ums Schloss durch den Kaisergarten unter dem Motto „Landmarks: Magische Orte im KunstRevier“. Schließlich folgt in der Closing-Week der Workshop „Vom RITTER:SITZ zur LUDWIGS:GALERIE“. Dabei dürfen die Besucher:innen ihr eigenes rosa Schloss durch Fotgrafieren, Folienzeichnen und Collagenbauen erstellen.

Die „Workshop_Wednesdays“ sind jeden Mittwoch von 16-17.30 Uhr an der Kritzelhütte im Innenhof. Auch hierfür ist eine Anmeldung beim untenstehenden Kontakt notwendig.

„Lounge_Fridays“ Termine

Bis zum Ende der Ausstellung gibt es noch drei „Lounge_Fridays“. Am 13. August legen Twinka und Inga Marie (Empowerment Pop und Hip-Hop) auf. Am 20. August bieten ƘÏÐ ƉΔŦΛ/illyNoize/Einar Zuviel eine DJ-Session im Bereich Future Beats und Hybrid Club und in der Closing-Week zeigt Kaddi Klippenberger seine Skills im Downtempo.

Die „Lounge_Fridays“ finden jeden Freitag von 18 bis 22 Uhr statt.

Anfahrt

Die Anfahrt ist sehr einfach, da die Ludwigsgallerie (Adresse: Konrad-Adenauer-Allee 46, 46049 Oberhausen) direkt an der A42 liegt. Ein Parkplatz befindet sich ebenfalls direkt an der Galerie, der auch für den Kaisergarten und den angrenzenden Biergarten dient.

Kontaktdaten

E-Mail: ludwiggalerie@oberhausen.de

Telefon: 0208 41249 28

Alle Termine sind hier noch einmal übersichtlich aufgelistet.

Ellen Waldeyer
Als angehende Journalistin träumt sie von spannenden Geschichten und Orten, die ihre Mitmenschen bewegen. Ellen ist aus einem winzigen Dorf im Weserbergland in die Metropole Ruhr aufgebrochen, um Journalistik an der TU Dortmund zu studieren. Ihre Naturverbundenheit und Unternehmungslust bieten ihr viele Ideen für den Ruhrpottblick. Darüber hinaus arbeitet sie als freie Mitarbeiterin für das Westfalen-Blatt im Kreis Höxter.